Eigentlich unglaublich, dass bei den vielen neuen Managementansätzen, die in den letzten 20 Jahren eingeführt wurden, die jährlich durchgeführte Engagement-Befragung von Gallup praktisch konstant dasselbe unbefriedigende Ergebnis zeigt.
In den vergangenen Monaten hat die Weltgemeinschaft mit COVID-19 eine Krise erlebt, wie nie zuvor. Hat diese Krise die Arbeitskultur in Deutschland verändert? In gewisser Weise hat sie das. Die Raten von Stress, Sorgen und Burnout sind gestiegen. Überraschenderweise hatten diese keine Auswirkung auf die Zufriedenheit bei der Zusammenarbeit.
Wie kann das persönliche Engagement bei der Arbeit verbessert werden? Wie kann es gelingen, gemeinsam eine Haltung für mehr Engagement bei der Zusammenarbeit zu gestalten? Was hat das Ganze mit dem Dominoeffekt zu tun?
Inhalt
Gallup-Engagement Studie – 20 Jahre fast unveränderte Ergebnisse
Tatsächlich hat sich die Engagementquote in Deutschland in den letzten 20 Jahren praktisch nicht verändert, wobei der Prozentsatz der Engagierten irgendwo zwischen 11 % und 17 % liegt. Daran hat sich nichts geändert – weder während der Eurokrise, noch der globalen Rezession oder der Pandemie.
Wenn sich 69% der Arbeitnehmer nicht engagieren – keine Energie oder Leidenschaft in ihre Arbeit stecken, keine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber haben, dann werden Unternehmen auf gefährliche Art und Weise anfällig für Störungen, die sie vielleicht nicht wahrnehmen.
Fehlende Wertschätzung führt zu Wertschöpfungsverlusten in Milliardenhöhe
Inzwischen sind 14% der deutschen Arbeitnehmer aktiv unengagiert, was bedeuten könnte, dass sie so frustriert sind, dass sie ihrem Unternehmen gar schaden wollen. Nach Schätzungen von Gallup kostet allein dieses Segment der aktiv unengagierten Arbeitnehmer die deutsche Wirtschaft jährlich zwischen 96,1 und 113,9 Milliarden Euro. Exemplarische Kostentreiber, die dieser Schätzung zugrunde liegen, sind:
- Burnout: Aktiv Unengagierte geben deutlich häufiger als ihre engagierten Kollegen – 50 % gegenüber 26 % – an, dass sie sich im letzten Monat aufgrund von Arbeitsstress ausgebrannt gefühlt haben.
- Fernbleiben von der Arbeit: Dieser Effekt ist bei aktiv unengagierten Mitarbeitern um 37 % höher als bei engagierten Arbeitnehmern (7,1 Tage gegenüber 5,2 Tagen). Gallup schätzt, dass deutsche Unternehmen für jeden Tag, an dem ein Mitarbeiter der Arbeit fernbleibt, 288 Euro verlieren.
- Schlechte Botschafter: Nur 8 % der aktiv unzufriedenen Arbeitnehmer stimmen voll und ganz zu, dass sie ihr Unternehmen Freunden oder Verwandten als Arbeitsplatz empfehlen würden, was einen echten Verlust für die Marke des Unternehmens darstellt. Und weniger als einer von vier aktiv unzufriedenen Arbeitnehmern würde die Produkte oder Dienstleistungen ihres Unternehmens weiterempfehlen.
- Fluktuation: Die Fluktuation nimmt seit Jahren zu, doch 82 % der engagierten Mitarbeiter geben an, dass sie auch in einem Jahr noch für ihr Unternehmen tätig sein wollen, gegenüber 41 % der aktiv unengagierten Mitarbeiter, von denen 19 % aktiv nach einem neuen Arbeitsplatz suchen.
Fehlende Leadership-Ausbildung für Führungskräfte
Aus Sicht von Gallup ist Engagement im Wesentlichen eine lokale Angelegenheit, weshalb die Führungskräfte 70 % der Varianz im Teamengagement beeinflussen. Die besten Führungskräfte konnten das Engagement während COVID-19 aufrechterhalten oder steigern, weil sie die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter unterstützten. Sie kommunizierten klar, hielten die Mitarbeiter auf dem Laufenden, übernahmen Verantwortung und ermöglichten es den Mitarbeitern, das zu tun, was sie am besten können, auch unter schwierigen Bedingungen.
Das sind wertvolle Fähigkeiten. Allerdings sind die Fähigkeiten, die bei deutschen Führungskräften am meisten geschätzt werden: Zuverlässigkeit und Effizienz, Geradlinigkeit und Strukturiertheit. Letztere wiederum befähigen sie nicht unbedingt dazu, die emotionalen Bindungen zu entwickeln, die Engagement bei den Mitarbeitern schaffen. Gallup folgert weiter, dass Erfahrung, Betriebszugehörigkeit und früherer Erfolg kein Garant für gute Führung sind. Und da die meisten Führungskräfte keine passende Ausbildung zur Mitarbeiterführung erhalten, ist es nicht verwunderlich, dass sich das Engagement der deutschen Mitarbeiter nicht verbessert hat.
Damit Deutschland wirtschaftlich zukunftsfähig bleibt, müssen deutsche Unternehmen in eine solide Ausbildung von Führungskräften investieren, so dass diese ihr Verhalten von der Prozess- und Strukturorientierung hin zu Coaching-Beziehungen ändern, die die Mitarbeiter einbinden.
Dominoeffekt: Was können einzelne Menschen bewirken?
Die Empfehlung von Gallup setzt bei dem größten Hebel, und zwar der Führung an. Insbesondere die Generation der Millennials wollen keine Bosse mehr, sie wollen einen Coach oder Mentor an ihrer Seite haben.
Eine gute Coaching-Ausbildung braucht einige Zeit und anschließend jede Menge Praxis, so dass das Coaching anderer Menschen wirksam ist. Oft sind Führungskräfte nicht nur mit Führung befasst, sondern haben weiterhin viele operative Aufgaben. In einem solchen Umfeld ist es nur selten möglich seine Coaching-Fähigkeiten weiterzubilden.
Kein Wunder, dass sich dabei oft ein Glaubenssatz verfestigt, den wir als externe Coaches oft zu hören bekommen: „Was kann ich als Einzelner schon ausrichten?“
„Kennen Sie den Dominoeffekt?“ Es gibt ein wunderbares Video bei YouTube in dem ein Physiker (vgl. Quelle) mit einem winzig kleinen Dominostein, der nur 5mm hoch ist, eine Kettenreaktion bewirkt, die nach nur 29 Steinen einen Dominostein von der Höhe des Empire State Buildings zum Fallen bringen würde. (Im Video zeigt er das Experiment mit nur 13 Dominos und letzte ist über einen Meter hoch und wiegt über 100 Pfund.)
Soll heißen, die anfänglich kleinsten Veränderungen, das Kippen eines Mikro-Dominos kann schon nach wenigen Schritten eine riesige Wirkung entfalten.
Wie lässt sich der Dominoeffekt auf Führung und Selbst-Führung übertragen?
Jede Führungspersönlichkeit kann auch ohne langwierige Coaching-Ausbildung diesen Dominoeffekt nutzen, um GEMEINSAM mit anderen Veränderungen zu bewirken.
Mit dem Begriff der Führungspersönlichkeit ist hier jede Person gemeint, die sich selbst bewusst führt, die die volle Verantwortung für ihr Denken und Handeln übernimmt, unabhängig davon, ob sie ein Führungsmandat für andere hat oder nicht.
Also ein Fingerzeig, in welche Richtung auch immer, hilft nicht. Zeigen wir mit einem Finger auf die nächst höher gestellte Person, zeigen drei Finger auf uns. Jede Veränderung fängt bei uns selbst an. Wir können der Mikro-Dominostein sein, der den nächstgrößeren anstupst und so weiter.
Ja, das bedeutet, wir dürfen unsere Komfortzone in Richtung Lernzone verlassen. Und ja, das erfordert je nach Umfeld einigen Mut und die Bereitschaft mit persönlicher Veränderung zu starten.
Es braucht dazu keine Leadership-Gurus! Es braucht Führungspersönlichkeiten:
- die bereit sind, sich selbst auf den Weg zu machen,
- die dabei zuerst an ihrer eigenen Selbstreflektion und ihrer Haltung arbeiten,
- die sich um sich und andere kümmern,
- die anderen wirklich aufmerksam zuhören,
- die sich für andere wirklich interessieren, sie respektieren und ihnen zur Seite stehen.
Allein dieser Haltungswechsel und das empathische Zuwenden anderen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, kann eine ganze Lawine von Dominoeffekten auslösen. Dazu braucht es keine aufwendige Coaching-Ausbildung.
Der Dominoeffekt funktioniert nur gemeinsam!
Die Ergebnisse der Gallup-Studien zeigen vor allem eins: den Menschen fehlt es an Verbundenheit und Zugehörigkeit. Also an einer persönlichen Verbindung zwischen den einzelnen Mitarbeitern, zwischen Mitarbeitern und Führungskräften, zwischen den Führungskräften untereinander. Nur wenn untereinander vertrauensvolle Verbundenheit vorhanden ist, entsteht Zugehörigkeit und damit Engagement.
Vom ICH zum WIR zum ALLE, so könnte ein Dominoeffekt für die Organisationsentwicklung verborgene Potenziale freisetzen. Hilfreich können dabei sogenannte Zirkelformate sein, wie zum Bespiel „Working Out Loud“ oder „LernOS“ die eine lernende Organisation und damit Veränderung aus der Mitte der Organisation heraus bewirken.
Die Erfahrungen mit dieser Form von Organisationsentwicklung zeigen, dass die Verbundenheit in den Zirkeln auch unabhängig von den Inhalten gefördert wird. Wenn es um die oben erwähnten Coaching- und Mentoring-Fähigkeiten geht, ist das Zirkelformat der „Leadership Coaching Challenge“ mit verschiedenen spezifischen Guides für Führungsthemen ein hilfreicher Ansatz. Selbst wenn diese 12-Wochen-Erfahrung im unterstützten Peer-Coaching nur „Mikro-Veränderungen“ bewirken würden, wäre damit ein Dominoeffekt gestartet.
Fazit
Die Untersuchungen von Gallup zeigen über fast zwanzig Jahre ein vergleichbar schlechtes Bild der Arbeitszufriedenheit in deutschen Unternehmen. Die Ursache liegt laut Gallup vor allem darin, dass zu wenig in die Ausbildung der Fähigkeiten der Führungskräfte investiert wird. Gelungene Zusammenarbeit hängt von der Verbundenheit und Zugehörigkeit der Kolleginnen und Kollegen ab.
Wenn es gelingt, das einzelne Personen durch ihre eigene (Mikro-)Veränderung andere anstupsen, die sich dann ebenfalls verändern, kann auf diese Weise ein Dominoeffekt Großes bewirken. Die „Leadership Coaching Challenge“ ist ein Zirkelformat, das solche Dominoeffekte bei Führungspersönlichkeiten unterstützen kann.
Es braucht dazu keine Leadership-Gurus, sondern nur die Bereitschaft bei sich selbst anzufangen. Dabei dient unterstütztes Peer-Coaching als Impulsgeber für den Perspektivwechsel in der Selbstreflexion.
Weitere Informationen
Wer tiefer einsteigen und die Details des Frameworks nachvollziehen möchte, kann sich hier das kostenlose E-Book “Leadership Coaching Challenge – Einführung in das Framework” sichern.
Quellen
Nink, M. und Sinyan P.: 2 Dacades of Low Engagement: How Germany Can Turn It around, Gallup Workplace Study, Blogbeitrag, zuletzt aufgerufen: 2021-10-25
Morris S.: Domino Chain Reaktion, American Journal of Physics, vol. 51, p.182 (1983), YouTube-Video, zuletzt aufgerufen: 2021-10-25.
Stepper, J.: Working Out Loud: A 12-Week Method to Build New Connections, a Better Career, and a More Fulfilling Life, Black Inc, (2020), Website, zuletzt aufgerufen: 2021-10-25.
Dückert, S.: lernOS, Open System for Lifelong Learning and Learning Organizations, Website, zuletzt aufgerufen: 2021-10-25.
Bildquellen Zitathintergrund Canva Pro, Bilder von Volkmar Langer und Getty Images
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