Meine ganz persönliche (Wunsch-)Haltung

Beitrag von Guénola Langenberg

Intrapreneurship Coach & Gründerin, Impulsgeberin der LCC, liebt Innovation durch Co-Kreativität.
Lesedauer 6 Minuten

​Wie möchte ich anderen Menschen grundsätzlich begegnen? Diese Frage stelle ich mir erst seit Kurzem. Seit Dezember 2018, um genau zu sein. Wieso stelle ich mir diese Frage überhaupt? Was ist Dezember 2018 passiert? Wie bin ich davor Menschen begegnet? Und habe ich eine Antwort gefunden?

Wie hätte ich vor ein paar Jahren meine Haltung beschrieben?

Ich hätte lange nicht wirklich beschreiben können, was und wie meine Haltung zu Menschen generell ist. Wahrscheinlich hätte ich so etwas gesagt wie: „Na ja es gibt gute Menschen und welche, die nicht so gut sind. Ich bin eigentlich offen, aber ich finde misstrauisch sein ist auch wichtig, aus Selbstschutz. Erst, wenn du Erfahrungen mit der Person gesammelt hast, kannst du ihr wirklich vertrauen. Mir geht es zumindest so. Ja und dann gibt es die leidenschaftlichen Menschen und die, die froh sind, wenn Wochenende ist. Ich denke, jeder hat so seine Stärken und Schwächen. An seinen Schwächen muss man arbeiten. Arbeiten ist ein gutes Stichwort: „Ohne Fleiß, kein Preis“.

Was ist mit Verantwortung, Guénola?

„Oh, das ist eine Tugend, eine Charaktereigenschaft: Verantwortungsbewusstsein hat echt nicht jeder. Pflichtbewusstsein und sich für andere einsetzen, das kenne ich nur von Menschen, die sich zurücknehmen und ihre Bedürfnisse hinten anstellen.“

Douglas McGregor lässt grüßen…

Wenn ich heute zurückblicke, merke ich, dass ich ein Menschenbild nach dem Modell von Douglas McGregor hatte. Ich hatte die Einteilung in X und Y. Nach diesem Modell sind X-Menschen faul und nur extrinsisch motiviert. Sie möchten möglichst wenig arbeiten und brauchen Anreize von außen, wie Belohnung und Strafe, um produktiv zu sein. Y-Menschen wiederum sind intrinsisch motiviert und brauchen Arbeit, um glücklich zu sein. Meine Annahme war auch, dass X-Menschen in der Mehrheit sind.

Dieses Menschenbild hat mich am Anfang meiner Karriere als Projektleiterin geprägt. Projekt-Meetings waren Kontrollmeetings. Wie ist der Erledigungs-Status der Aufgaben? Wer hat geliefert, wer hat nicht geliefert? Wenn nicht geliefert wurde, wurde eskaliert. Der Chef musste informiert werden, mit der Erwartung, dass er beim Team-Mitglied interveniert.

Planvorgaben machen, protokollieren, Soll-Ist-Vergleiche anstellen, eskalieren, das waren meine Aufgaben. Das hat sich nie wirklich richtig angefühlt. Und ich habe mich mit Eskalationen immer schwergetan. Ich war darin auch gar nicht gut.

Es geht auch anders

Später als Prozessmanagerin war mein Fokus ein anderer: Mir ging es darum Prozesse zu designen, die auf einem gemeinsamen Verständnis beruhten. In dieser Zeit habe ich erlebt, wie unterschiedliche Menschen zusammenkommen können, obwohl sie ganz andere Interessen vertreten. Ich habe einige Design-Workshops geleitet, die verschiedene Nationen, Abteilungen und Charaktere an einen Tisch brachten, mit dem Ziel ein Prozess Workflow zu definieren, den alle zufrieden stellte. Es hat immer funktioniert.

Als ich dann wieder als Projektleiterin tätig war, was den Wechsel zu einer anderen Abteilung bedeutete, wollte ich anders arbeiten. Ich hatte als Prozess-Managerin mit allen auf Augenhöhe gearbeitet. Ich konnte einfach nicht mehr hierarchisch agieren. Es ging so weit, dass ich ungern die Projektorganisation als Organigramm darstellen wollte. Eine Darstellung als Netzwerk war mir viel lieber. Ich betrachtete alle im Projekt als gleichberechtigt. Klar bestand ein Teil meiner Aufgaben darin, Entscheidungen zu treffen, für die ich die Verantwortung übernehmen musste und wollte. Aus meiner Sicht verdienten die anderen im Team ihre Rangordnung durch andere Kompetenzen, z.B. mit ihrer Expertise. Ein Organigramm wurde dem nicht gerecht. Es gab für mich kein oben und unten mehr.

Eine X-Y Betrachtung, in der X-Menschen dominieren, passte überhaupt nicht. Und gleichzeitig passte eine reine Y Sicht auch nicht. Eine Arbeitswelt mit ausschließlich intrinsisch motivierten und arbeitsfreudigen Menschen entsprach auch nicht meiner Realität. Ich selbst war nicht immer leistungsbereit und hyper-motiviert.

Was geschah Dezember 2018?

Ich lernte die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) kennen. Heinz Erretkamps hatte in seinem Training zum agilean Coach ein GFK-Modul eingebaut. Dazu zitierte er Viktor Frankl und mir wurde klar: Ich entscheide selbst wie ich mit Situationen und Menschen umgehen möchte.

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ (Viktor Frankl)

Seit diesem Tag beschäftige ich mich mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Ich habe in der GFK die Haltung gefunden, die mir einen authentischen Umgang mit Menschen und mit mir selbst ermöglicht.

Die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK)

Die Grundhaltung der GFK besteht aus den Erkenntnissen, dass:

  • Menschen handeln, um Bedürfnisse zu erfüllen.
  • sie nicht gegen andere handeln, sondern für ihre Bedürfnisse.
  • alle Bedürfnisse gleichwertig sind, d.h. meine genauso wichtig sind wie die der Anderen.

Darüber hinaus finden sich in der GFK die sogenannten Basic Needs (vgl. Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan) wieder. Jeder Mensch strebt nach:

  • Autonomie,
  • Zugehörigkeit und
  • dem Erleben der eigenen Kompetenz.

Menschen möchten Teil der Gemeinschaft sein und einen Beitrag leisten. Gleichzeitig möchten sie selbst entscheiden und reagieren dementsprechend negativ, mitunter gewaltvoll auf Forderungen, Erwartungen oder Vergleiche.

Was bedeutet es konkret?

Wohlwollend mit anderen umgehen, bedeutet für mich, dass ich den anderen Menschen nicht bewerte. Sondern ich erkenne an, dass er Bedürfnisse hat, die er erfüllen möchte. Ich öffne mich, d.h. ich bin bereit hinzuhören und zu verstehen. Ich gehe einfühlsam und achtsam mit ihm um.

Ich gestehe ihm zu, dass er grundsätzlich bereit ist, einen Beitrag für die Gemeinschaft und für mich zu leisten. Ich respektiere ihn.

Ich achte auf meine Bedürfnisse und äußere sie auch. Ich bin klar und deutlich für den anderen. Das gibt ihm die Chance seinen Beitrag zu leisten. Und es gibt uns die Chance gemeinsam eine Win-Win-Situation zu schaffen.

Wir sind also doch alle Y-Menschen

Prinzipiell sind alle Menschen Y-Menschen. Davon war McGregor überzeugt und das bin ich auch. Intrinsisch motiviert sind wir nämlich alle, und zwar durch unsere Bedürfnisse.

Wenn ich eine Person als X-Menschen kategorisiere, dann ist das meine Bewertung. Ein Team-Mitglied hat wiederholt die zugeteilte Aufgabe nicht erledigt, es ist faul. Nein ist es nicht. Mein Bedürfnis nach Einhaltung von Absprachen ist nicht erfüllt. Das ist mein Bedürfnis. Sein Bedürfnis ist ein anderes: es braucht Fokus, um Qualität sicherzustellen. Es möchte sich auf die priorisierten Aufgaben fokussieren, und die Projektaufgabe ist nun mal nicht an erster Stelle priorisiert worden, sondern die Kundenreklamation. Es ist also nicht faul, sondern erfüllt seine Bedürfnisse. Und das ist für die Erfüllung meiner Bedürfnisse gerade ungünstig.

Das zu erkennen und anzuerkennen ist essenziell, um neue Lösungen zu finden. Natürlich könnte ich jetzt eskalieren, mich bei seinem Chef beschweren und sogar die höhere Hierarchiestufe ansprechen, denn schließlich hat der Chef die Prioritäten so gesetzt. Allerdings ist das aus Sicht der GFK schon Anwendung von Gewalt, denn ich versuche damit die Erfüllung meines Bedürfnisses zu erzwingen. Ich habe Eskalationen immer als nachhaltig schädigend für die Zusammenarbeit erlebt.

Was ist aber, wenn ich mich um eine Sowohl-als-auch Situation bemühe? Wie könnte sie denn aussehen?

Ich würde in den Dialog gehen. Zunächst mit dem Team-Mitglied, um es zu verstehen und um kundzutun was mir wichtig ist. Nicht „ich möchte, dass Du …tust“, „Wenn Du das nicht tust, dann…“, sondern „Was könnten wir tun, damit es uns Beiden gut damit geht?“. Vielleicht ist der Dialog mit dem Chef erfolgsversprechender, schließlich hat er die Prioritäten gesetzt und auch er hat Bedürfnisse, die in diesem Fall eine Rolle spielen.

In diesem Dialog mit dem Chef könnte rauskommen, dass er dringend die Expertise seines Mitarbeiters braucht. Denn dieser Mitarbeiter hat sehr gute Kontakte zum Kunden und hat die besondere Fähigkeit sich in ihn hineinversetzen zu können. Er ist wichtig, um die Reklamation detailliert zu verstehen, was wiederum ausschlaggebend ist für die Lösungsfindung ist. Die eigentliche Bearbeitung der Reklamation kann eine andere Person übernehmen. Das Team-Mitglied braucht lediglich für einen halbtägigen Workshop zur Verfügung zu stehen. Der Chef sichert damit die effektive Reklamationsbearbeitung, sein Mitarbeiter kann sich fokussiert einbringen und das Projekt kommt voran.

Ohne Wohlwollen, Offenheit und Dialog wäre diese Win-Win-Situation nicht entstanden.

Meine ganz persönliche (Wunsch-)Haltung

Menschen grundsätzlich wohlwollend zu begegnen und sie grundsätzlich als Y-Menschen zu betrachten ist für mich eine würdevolle Haltung. Sie betrifft auch mich selbst. So möchte ich mit anderen und mit mir selbst umgehen.

Diese Haltung ermöglicht aus meiner Sicht einen authentischen Umgang miteinander: einfühlsam, achtsam, respektvoll und gleichzeitig klar und deutlich. Dieser Umgang führt zu friedlichen Verbindungen und zu einem kreativen Miteinander.

Mit dieser Haltung erkenne ich die Vielfalt der Menschen an, und weiß, wie ich damit umgehen kann.

Doch diese Haltung ist für mich nicht leicht umzusetzen. Denn ich habe gelernt zu bewerten und zu beurteilen. Ich habe gelernt in den Kategorien richtig und falsch oder gut und schlecht zu denken. Ich habe gelernt, dass es die eine richtige Lösung gibt, und dass es darum geht sie zu finden. Und ich habe auch gelernt, insbesondere im beruflichen Kontext, das Maximale für mich rauszuholen.

Zum Glück durfte ich Win-Win-Situationen erleben, und erfahren, dass sie mehr bringen als jede individuelle Lösung: 1 und 1 sind eben mehr als 2. Sie haben nichts mit Kompromiss zu tun, bei dem die Beteiligten Federn lassen müssen. Sondern sie stellen neue, zuvor nicht vorstellbare Wege dar.

Diese Haltung ist für mich kein natürlicher Zustand und ich muss mich immer wieder auf Kurs bringen. Und ich bin überzeugt, dass es sich lohnt.

Diese Erfahrung hat mir bei der Entwicklung unserer Leadership Coaching Challenge “Meine Haltung entscheidet!” persönlich sehr geholfen. Die wertvolle Unterstützung eines Zirkels hilft mir dabei, mich selbst zu reflektieren und meiner Wunsch-Haltung immer näher zu kommen.

 

Weitere Informationen

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Quellen

Bildquelle

Bild-Zitat: Canva Pro, oatawa/Getty Images Pro

 

 

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